Resumée
Workshop
Die Teilnehmer nahmen den Workshop als positive Erfahrung auf, sie haben
es laut Ingrid Rygulla als angenehm empfunden, nicht immer "den Kopf
unten zu haben". Es habe ihnen Spaß gemacht, trotz der Beschäftigung mit
Schrift.
Die Befürchtung, daß Arbeiten mit Schrift an sich von vorneherein als
negativ beurteilt und abgelehnt wird, hat sich nicht eingestellt. Auch Zeit
schriften, welche eigentlich als "Inkarnation" ihres Problems betrachtet
oder als Diskriminierung erfahren werden könnten, wurden positiv und
interessiert miteinbezogen.
In Namibia
In Bezug auf meine These, daß Analphabeten Typografie besonders be-
trachten, möchte ich kein abschließendes Resumée ziehen. Schriftlichkeit
an sich hat für Analphabeten eine besondere Bedeutung, da sie ihre fehlende
Schriftsprachkompetenz als Makel empfinden. Typografie nutzen sie, sie
orientieren sich bewußt stärker an grafischen Konventionen, um aus ihnen
Inhalte oder Bezüge zu "lesen". So wie im Workshop eine Teilnehmerin
sofort den Behördenbrief aufgrund ihrer Erfahrungen als solchen erkannte.
Es gab Schriftzüge, die die Teilnehmer als schön fanden und Schreiben, die
ihnen nicht gefielen. Sonst fehlte aber auch wie bei eher vollständig
literatisierten Menschen das Vokabular oder der Sinn, sich länger darüber
zu unterhalten. Ich würde ich meine Arbeit bis jetzt aber eher als Aus
gangspunkt sehen, von dem aus weitergearbeitet werden könnte. Nicht als
Schlußpunkt.
P.S.
Ich fragte mich, ob Analphabeten Typografie als Ornament wahrnehmen
würden. Ich habe Typografie als Ornament in Bezug auf Analphabeten rein
formal gesehen. Der Analphabet kann nicht lesen, also nimmt er Zeilen mit
Formen, die sich mehr oder weniger wiederholen, rhythmisch sind, als
Ornamentbänder auf. Doch sobald er anfängt zu entziffern, und das tun die
meisten Betroffenen, nutzt er Typografie nicht mehr als Ornament. Typo-
grafie, entzifferbar oder nicht, bedeutet für den Analphabeten seine eigene
Situation. Die durch seine fehlenden Fähigkeiten hervorgerufen worden sind.
Typografie als Ornament ist hier nicht lesbar im Sinne der Vereinbarung,
auf die wir Lesenden und Lesenlernenden geeinigt haben. Aber anders.
Durch die Typografie und durch ihre bloße Existenz.